LRS-Förderung

Medizinische Definition

„Nach dem internationalen Klassifikationsschema ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine umschriebene Lese- und Rechtschreibstörung vorhanden, wenn anhaltende und eindeutige Schwächen im Bereich der Lese- und Rechtschreibung nicht auf das Entwicklungsalter, eine unterdurchschnittliche Intelligenz, fehlende Beschulung, psychische Erkrankungen oder Hirnschädigungen zurückzuführen sind. In der ICD 10 wird zwischen einer Lese- und Rechtschreibstörung (F81.0) und einer isolierten Rechtschreibstörung (F81.1) unterschieden (Weltgesundheitsorganisation, 2005).“ (Quelle: ICD-10)

 

Für die Diagnose einer LRS muss doppelte Diskrepanzkriterium erfüllt sein. Das bedeutet, dass die Leistung beim Lesen und Schreiben unterdurchschnittlich sind, aber gleichzeitig der Intelligenzquotient mindestens durchschnittlich oder sogar besser ist.

 

Die offizielle Diagnose nach WHO-Richtlinien stellt ein Kinder- und Jugendpsychologe, der entweder einem SPZ (sozial-pädiatrisches Zentrum) angebunden oder in eigener Praxis niedergelassen ist. Qualifizierte Lerntherapeuten können ebenfalls eine offizielle Diagnose stellen, aber nicht nach WHO-Richtlinien. In der Regeln erkennen aber Schulen und andere Institutionen die von uns gestellten Diagnosen an.

Symptomatik

Rechtschreibung:

 

  • Verdrehen von Buchstaben im Wort (Reversion): <b+d>, <p+q>
  • Umstellung von Buchstaben im Wort (Reihenfolgenfehler): <die/dei>
  • Auslassungen von Buchstaben: statt
  • Einfügen von falschen Buchstaben: statt
  • Dehnungsfehler: statt , statt
  • Fehler in der Groß-/Kleinschreibung: statt
  • Verwechslung von <g+k>, <d+t>, <b+p>
  • Fehleränderung: ein- und dasselbe Wort wird unterschiedlich falsch geschrieben (Fehlerinkonstanz)

 

Die eben genannten Fehler kommen in der normalen Rechtschreibentwicklung vor, werden aber zügig überwunden. Bei Kindern mit einer LRS persistieren die Fehler viel länger und die Frequenz der Fehler ist stark erhöht.

 

Lesen:

 

  • langsames Lesen mit wenig Fehlern
  • langsames Lesen mit vielen Fehlern
  • schnelles Lesen mit vielen Fehlern
  • generell stockendes Lesen
  • Ratelesen (Wörter werden durch andere Wörter ersetzt)
  • Buchstabe für Buchstaben lesen (B-au-m für Baum)
  • Auslassungen, Vertauschungen, Ersetzungen von Buchstaben
  • eingeschränktes Leseverstehen
  • ausgeprägte Leseunlust

 

Übergreifend zeigen sich in anderen Fächern, bei denen die Lese- und Rechtschreibkompetenz abverlangt wird, ebenfalls Schwierigkeiten. Texte und Aufgaben werden nicht verstanden und/oder falsch gelöst.

 

Weitere ausführliche Infos zu den Symptomen erfahren Sie über BVL-Filme über Legasthenie.

Begleitende Symptome auf psycho-sozialer Ebene

Die Probleme, die häufig eine Lese-Rechtschreibstörung begleiten, übertragen sich oft auf andere Schulfächer. Insbesondere auf diejenigen, in denen die Kompetenz des Lesens und Schreibens eine große Rolle spielen (z.B. das Verstehen von Textaufgaben im Schulfach Mathematik). Ebenso gestaltet sich der Erwerb von Fremdsprachen schwierig. Da die kognitiven Fähigkeiten bei legasthenen Kindern überdurchschnittlich sein können, werden die damit einhergehenden Begabungen durch die Misserfolge in der Schule gehemmt und die Entfaltung dieser Fähigkeiten blockiert. Sekundär entsteht eine Unlust am Lernen oder eine Verringerung der Lernmotivation. Der schulische Druck verunsichert die betroffenen Kinder und das Unverständnis und die Vorurteile des Umfeldes schwächen das Selbstwertgefühl. Daraus resultieren auf psycho-sozialer Ebene häufig:

 

  • Schulangst
  • Versagensangst
  • Aggressionen
  • psychosomatische Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit etc.)

 

Die sekundären Symptome entwickeln sich bei Kindern mit Lese-Rechtschreibstörungen häufig sukzessiv und manifestieren sich, so dass es während der Schullaufbahn zur totalen Schulverweigerung kommen kann, sofern keine qualifizierte Hilfe in Anspruch genommen wird. Man spricht hier von einer Neurotisierung.

 

Erfahrungsgemäß zeigt sich in der Anamnese von Kindern mit Lese-Rechtschreibstörungen, dass die Eltern in der ersten und zweiten Klasse bereits Auffälligkeiten beim Lese-Rechtschreiberwerb beobachten. Diese persistieren bis zur weiterführenden Schule. Bis die betroffenen Kinder bei einer qualifizierten Lerntherapeutin vorstellig werden, vergehen oft Monate bzw. Jahre. Während dieser Zeit durchläuft das legasthene Kind eine Vielzahl von Versuchen, ihm bei seinen Lese-Rechtschreibproblemen zu helfen: z.B. Nachhilfe, Förderstunden in der Schule, Übermäßiges Wiederholen der Hausaufgaben („drilling“). Das Fazit dessen ist häufig ein Scheitern („wir versuchen alles, aber nichts hilft wirklich“), welches mit einer hohen Frustration einhergeht. Diese Zeit ist durch Misserfolge geprägt und führt folglich zu einem geschwächten Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Der „Teufelskreis Lernstörung“ (Betz Breuninger - 1998) wird an dieser Stelle durch die negative Konditionierung aufrechterhalten und kann nur mit professioneller Hilfe (z.B. zertifizierte Lerntherapie) durchbrochen werden.

 

Dadurch dass die Qualifikation eines zertifizierten Dyslexietherapeuten nach BVL kein geschützter Beruf ist, ergibt sich die Problematik, dass sich jeder, der an einer LRS arbeitet, Lerntherapeut nennen darf. Es ist also nicht verwunderlich, dass hier massive Unterschiede in der Qualität der Förderung existieren und Eltern nach zwei Jahren Therapie vermeintlich keine Erfolge sehen.

Ursachen einer LRS

  • wissenschaftliche Studien belegen eine hohe Korrelation bei der Vererbbarkeit einer LRS; allerdings bedeutet eine genetische Disposition nicht unbedingt, dass ein Kind auch eine LRS entwickelt
  • neurobiologisch wurde nachgewiesen, dass bei Kindern mit einer LRS andere Bereiche des Gehirns aktiv sind und deswegen Reize und Sprache anders verarbeitet wird; aber warum das so ist, konnte nicht erfasst werden
  • neben der veränderten neurobiologischen Prozesse sind häufig andere Bereiche betroffen, dessen Ursache ebenfalls nicht ganz klar ist:
    • das Arbeitsgedächtnis
    • die Wahrnehmung und Verarbeitung von visuellen und auditiven Reizen und Informationen
    • die Aufmerksamkeit
    • explizite phonologische Bewusstheit (Verarbeitung von visuellen und auditiven Reizen)
    • Rapid Naming
    • Kenntnis von Buchstaben
    • Wortschatz

Diagnostik

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind eine LRS haben könnte, gibt es verschiedene Möglichkeiten, diesem Verdacht nachzugehen. Sie sollten in jedem Fall die Diagnose medizinisch oder therapeutisch abklären lassen:

 

  • Vorstellung in einem SPZ (sozialpädiatrischen Zentrum)
  • Vorstellung bei einem Kinder- und Jugendpsychologen
  • Vorstellung in einer Erziehungsberatungsstelle, die hausinterne Psychologen haben

 

Die medizinische Abklärung (nicht kostenpflichtig) ist notwendig, damit Sie mit der Diagnose in pädagogischen Einrichtungen z.B. einen Nachteilsausgleich beantragen können. Jegliche Unterlagen zur Diagnose sollten Sie wie Ihr Familienstammbuch für die Zukunft gut verwahren.

 

Die therapeutische Abklärung (kostenpflichtig) ist ebenfalls möglich. Langen Wartezeiten kann so vorgebeugt werden. Zertifizierte Lerntherapeuten stellen ebenfalls eine Diagnose (aber nicht nach WHO Richtlinien) durch eine detaillierte Analyse der Lese-Rechtschreibkompetenz. Viele Schulen in unserem Umkreis akzeptieren unsere lerntherapeutischen Gutachten für die Gewährung eines Nachteilsausgleiches.

Therapie

Eine zertifizierte Lerntherapie setzt direkt am Kern der Lese-Rechtschreibproblematik an. Es wird auf der Stufe mit der Lernförderung begonnen, auf der sich Ihr Kind bei der Lese- und Rechtschreibentwicklung befindet. Dort werden die Lücken durch die Entwicklung effektiver Strategien geschlossen. Diese Lernstrategien ermöglichen Ihrem Kind, auf verschiedene Arten sich ein Wort selbst in seiner Rechtschreibung oder beim Erlesen zu erschließen. Darauf aufbauend wird dann Entwicklungsstufe für Entwicklungsstufe erarbeitet. Deshalb dauert eine erfolgreiche Lernförderung erfahrungsgemäß 1-2 Jahre.

 

Durch die ganzheitliche Lerntherapie werden außerdem individuell passende Lernstrategien entwickelt und die seelische Stabilität gefördert, damit das Selbstwertgefühl Ihres Kindes sich neu entfalten kann. Wie eine Förderstunde exemplarisch aussieht, erfahren Sie im unteren Abschnitt ("Exemplarische Lerntherapie").

 

Im Folgenden sehen Sie weitere Leistungen zur Qualitätssicherung der Lernförderung Ihres Kindes:

 

  • Auswertung von Diagnostik und freien Schreibproben aus der Schule
  • Erstellen von Befund- und Verlaufsberichten
  • Vor- und Nachbereitung einer Förderstunde
  • Reflexion der Förderstunde
  • Elterngespräche
  • Lehrergespräche
  • Gespräche mit anderen involvierten Institutionen
  • Supervisionen
  • Teamsitzungen
  • Teilnahme an Arbeitskreisen LRS
  • ggf. Selbstgebasteltes, auf die Interessen des Kindes abgestimmtes Material erstellen
  • Fort- und Weiterbildungen
  • Fachliteratur und -zeitschriften studieren

Kostenübernahme Therapie

Die außerschulische Lerntherapie ist KEINE Kassenleistung und darf nicht von Logopäden auf Rezept abgerechnet werden. Somit tragen Sie die Kosten selbst. Diese sind als „außergewöhnliche Belastungen“ in Ihrer Einkommensteuererklärung absetzbar – hierzu lassen Sie sich am besten von Ihrem Steuerberater aufklären. In Einzelfällen übernimmt auch das Jugendamt die Finanzierung der Lerntherapie, sofern folgender Rechtsanspruch besteht:

 

Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche mit Lese-Rechtschreibstörung nach § 35a SGB VIII. Dieser Fall tritt ein, wenn Ihr Kind unter einer enormen psychischen Belastung aufgrund der LRS leidet. Allerdings müssen noch mehr Kriterien erfüllt sein, damit die Förderung durch das Jugendamt übernommen wird. Dazu informieren Sie sich bei Ihrem zuständigen Jugendamt.

 

Seit 2017 besteht zwischen meinem Institut und dem Jugendamt Moers eine sogenannte „Entgeltvereinbarung“. D.h., dass wir offiziell anerkannt sind, im Auftrag vom Jugendamt Moers und weiteren überregionalem Jugendämtern die Lerntherapie für Sie bzw. Ihr Kind durchzuführen. Wenn Sie privat versichert sind oder HARTZ IV beziehen, übernimmt Ihre Kassen teilweise bzw. das Amt ebenfalls die Kosten für die Lerntherapie.

 

Folgende Voraussetzung für eine Kostenübernahme über das sog. Bildungspaket müssen jedoch gegeben sein:

 

  • Förderbedarf des Kindes muss von der Lehrkraft bestätigt werden
  • von Seiten der Schule wird keine vergleichbare Förderung angeboten

 

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, müssen Sie sich zur Beantragung an das jeweilige Amt wenden, das für Sie zuständig ist. Wenn Sie Arbeitslosengeld II/Sozialgeld beziehen, wird der Antrag in der Regel beim Jobcenter gestellt. Beim Bezug von Sozialhilfe, Kinderzuschlag oder Wohngeld ist das Sozialamt des jeweiligen Ortes bzw. Kreises zuständig.

Exemplarische Darstellung einer Lerntherapie

  1. bei Betreten der zieht Ihr Kind seine/ihre Straßenschuhe aus und die eigenen Hausschuhe an: Wohlsein Gefühl entsteht
  2. Begrüßung des Kindes mit persönlicher Anrede (Vornamen) und einer positiven Floskel (wie z.B. „Schön, dass Du da bist“ oder „Schön, Dich zu sehen“ usw.); umgekehrt spricht Ihr Kind die Therapeutin mit Ihrem Nachnamen an: die Therapeutin beim Nachnamen zu nennen, gehört zu unserem Leitbild
  3. gemeinsames Ankommen im Büro der Lerntherapeutin mit kurzem Eingangsgespräch:
    1. als Begrüßungsritual im Raum drückt Ihr Kind einen grünen Fingerabdruck auf seinen zuvor angemalten Baum und holt seine Unterlagen raus: Rituale verleihen Sicherheit
    2. wenn Ihr Kind möchte, darf es etwas trinken: die Förderstunden finden im geschlossenen Raum in einer face-to-face Situation statt
  4. Hausaufgabenkontrolle bzw. -besprechung bei Problemstellen mit anschließender gemeinsamer Lösungsfindung (Ihr Kind bekommt beim ersten Kennenlernen eine Tasche mit einem Schnellhefter für die Hausaufgaben von uns, die zu jeder Förderstunde mitgebracht wird)
  5. Ankündigung des jeweiligen Lernthemas der Stunde, wobei oft eine Auswahl genannt wird, bei der Ihr Kind selbst entscheidet, womit es in der Stunde beginnt: die Basis für eine intrinsische Lernmotivation wird dadurch geschaffen
  6. Erarbeiten des Lerninhaltes
  7. kurzes Abschlussspiel bzw. Basteln, wenn Bastelwochen sind: die Förderstunde bleibt mit dem letzten Ereignis der Stunde positiv in Erinnerung
  8. Elterngespräch im Büro, in dem Ihnen erläutert wird, warum welche Lerninhalte erarbeitet worden sind; anschließend erfolgt die Anleitung für das häusliche Üben; ggf. werden Sie etwas früher in der Förderstunde hinzugezogen, um die Durchführung der Hausaufgaben praktisch zu üben, damit sichergestellt ist, dass diese korrekt und im Sinne Ihres Kindes durchgeführt werden
  9. Abschlussaufkleber für Ihr Kind (diese werden auf dem Schnellhefter gesammelt)
  10. Verabschiedung mit persönlicher Anrede (Kind und Eltern)

 

Dadurch dass die Förderstunden ritualisiert und strukturiert aufgebaut und Instruktionen klar formuliert sind, entsteht nicht nur Lernmotivation, sondern auch Sicherheit und Vertrauen. Sie und Ihr Kind lernen den Ablauf der Förderstunden schnell einzuschätzen und fühlen sich wohl. Am Ende einer jeden Förderstunde geht Ihr Kind mit dem Gefühl aus der Stunde, etwas geschafft und richtig gemacht zu haben. Das Selbstwertgefühl steigt und der „Teufelskreis Lernstörung“ wird unterbrochen. Eine positive Lernatmosphäre ist geschaffen. In Bezug auf das Selbstwertgefühl wird Ihr Kind risikofreudiger und traut sich mehr zu (C. Streb-Baumann (2016) – Beratungskonzepte- verhaltenstheoretisch/systemisch-lösungsorientiert). In Bezug auf seine Leistung werden Misserfolge verhindert, Ihr Kind wird selbstständiger und konzentrierter, der allgemeine Stress mindert sich und Ihr Kind wird engagierter.

 

Sollte sich während der Förderzeit der gewünschte Erfolg nicht einstellen, so wird kritisch in engmaschig durchgeführten Teamsitzungen oder Supervisionen nach den möglichen Ursachen gesucht, der Therapieplan modifiziert und neu formuliert. Wenn es zu einer Stagnation in der Förderung oder einem verzögerten Therapieerfolg kommt und begleitende psycho-soziale Störungen Ihres Kindes weiter bestehen, so werden klare Empfehlungen an Sie ausgesprochen, sich weitere Fachdisziplinen zur Problemlösung hinzuzuziehen. Somit ist garantiert, dass z.B. eine klare Grenze zwischen LRS-Förderung und Psychotherapie gezogen wird. Gegebenenfalls wird auch ein Abbruch der Fördermaßnahme notwendig, wenn Sie weitere professionelle Hilfe verweigern sollten. Zielorientiertes Arbeiten kann an dieser Stelle nicht gewährt werden und dient nicht zum Wohle des Kindes.

Darf ich Ihnen helfen?

Haben Sie Fragen zu unseren Leistungen, sind Sie an unseren Therapien interessiert oder möchten sich für unsere Kurse anmelden? Gerne stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Jetzt Kontakt aufnehmen

Weitere Leistungen

Logopädie

Therapie von Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- oder Hörbeeinträchtigungen, auch Hausbesuche möglich

Mehr erfahren

Tiergestützte Therapie

Therapie und Behandlung mit Unterstützung eines Therapiehundes

Mehr erfahren

Schulungen & Seminare

Schulungen & Seminare rund um das Thema Logopädie und Lerntherapie

Mehr erfahren